Werden Versicherte mit einer Direktversicherung als betriebliche Altersvorsorge benachteiligt, weil sie im Gegensatz zu Riester-Versicherten auf die Kapitalleistung Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung zahlen müssen? Dazu hat das Bundessozialgericht ein wegweisendes Urteil gefällt.

Versicherte mit einer Direktversicherung als betriebliche Altersversorgung werden gegenüber Beschäftigten mit Riester-Rentenvertrag nicht unangemessen benachteiligt, nur weil sie auf die Kapitalleistung Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zahlen müssen. Das hat das Bundessozialgericht entschieden.

Die Klägerin ist bei den beklagten Versicherungen kranken- und pflegeversichert. Auf Grund zweier im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge abgeschlossenen Direktlebensversicherungen erhielt sie am 01.02.2013 Kapitalleistungen von über 57.000 Euro ausgezahlt. Die Krankenkasse setzte sodann monatliche Beiträge zur GKV in Höhe von 74,50 Euro sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von 9,85 Euro fest. Als Bemessungsgrundlage berücksichtigte sie 1/120 der Gesamtkapitalleistung.

Direktversicherung und Riesterrente – gleiche Formen der bAV?
Die Klägerin beanstandet eine Verletzung des § 229 Abs 1 Nr 5 SGB V sowie des Art 3 Abs 1 und Art 14 Abs 1 GG. Sie argumentiert, der Paragraf nehme seit 2018 riestergeförderte Versicherungen der bAV von der Beitragspflicht aus. Bei den Beiträgen aus Direktlebensversicherungen und der „Riesterförderung“ handele es sich ihrer Meinung nach um im Wesentlichen gleiche Formen der bAV.

Kapitalleistungen sind beitragspflichtig in GKV und sPV
Das BSG sah dies anders. Die Kapitalleistungen aus den Direktversicherungen sind nach Ansicht des Gerichtes in der GKV und sPV als betriebliche Altersversorgung beitragspflichtig. Wie bereits in zwei anderen Urteilen entschieden wurde (Az.: B 12 KR 13/18 R und B12 KR 17/18 R), ist die Beitragspflicht nicht durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz vom 17.8.2017 entfallen. Dieses nimmt lediglich seit 2018 die betrieblichen „Riesterrenten“ von der Beitragspflicht aus.

Kein Verstoß gegen Gleichheitssatz
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt laut BSG nicht vor. Die Betriebsrentenarten würden im Wesentlichen gleich behandelt, weil sie jeweils nur einmal der vollen Beitragspflicht unterliegen. Der Unterschied ist lediglich, dass die „Riesterrenten“ in der Ansparphase beitragspflichtig sind, die übrigen Betriebsrenten in der Auszahlphase. Die Neuregelung sei als Teil eines arbeits-, steuer- und grundsicherungsrechtlichen Gesamtkonzepts durch das legitime Ziel der Bekämpfung von Altersarmut gerechtfertigt.

Quelle: Bundessozialgericht, Urteil vom 01.04.2019, Az.: B 12 KR 19/18 R

Beratungsprozess
Arbeitgeber treffen im Rahmen betrieblicher Versorgungswerke umfassende Aufklärungspflichten der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer über Wesen, Zweck und Ausgestaltung betrieblicher Versorgungsversprechen und der hieraus resultierenden Leistungen. Diese Informationspflichten lassen sich aus § 241 Abs. 2 BGB (“Pflichten aus dem Schuldverhältnis“) i. V. m. mit den allgemein anerkannten Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB sowie der allgemein anerkannten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers rechtfertigen. Durch diesen Hintergrund erklärt sich, dass die haftungsrechtliche Situation des Arbeitgebers hinsichtlich zu erfüllender Aufklärungspflichten im Rahmen zu installierender bzw. bereits installierter betrieblicher Versorgungswerke ein sehr vielschichtiges und sensibles Aufgabenfeld darstellt. Gerade durch das Zusammenspiel mit der in § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG festgeschriebenen arbeitgeberseitigen Einstandsverpflichtung zur Erfüllung von Versorgungsleistungen (Subsidiärhaftung) muss den zuvor genannten Haftungsgefahren sehr behutsam begegnet werden. Direktversicherung durch Entgeltumwandlung ist wesentlich mehr als nur ein Versicherungsabschluss. Es ist vor allem eine arbeitsrechtliche Vereinbarung, die der AGB-Kontrolle unterliegt und für deren Durchführung das Unternehmen vollumfänglich haftet. Arbeitgeber sollten sich bei der Einführung nicht allein auf Produktanbieter oder -verkäufer verlassen, sondern fundierten Rat vom Spezialisten einholen. Langfristig lohnt sich dieser zusätzliche Zeit- und Kostenaufwand.

Arbeitgeberberatung: Erforderlichkeit einer Rechtsberatungserlaubnis
Gemäß den zuvor gemachten einführenden Erläuterungen ist es für Arbeitgeber unabdingbar, sich dezidiert mit den rechtlichen Hintergründen von betrieblichen Versorgungswerken auseinanderzusetzen, um den berechtigten Arbeitnehmern eine vollumfängliche Informationsbasis zukommen zu lassen. Um dies zu gewährleisten, bedienen sich Arbeitgeber häufig Beratungs- oder Vermittlungsunternehmen, die sich auf den Bereich der betrieblichen Altersversorgung fokussiert haben. Auch hier hat sich der Arbeitgeber zu vergewissern, den rechtlich konformen Weg zu beschreiten. Denn es entsteht bei der Einrichtung und fortlaufenden Betreuung eines betrieblichen Versorgungswerks ein zweistufiges Beratungsverhältnis. Zuerst wird im Regelfall der Arbeitgeber Beratungsdienstleistungen in Anspruch nehmen müssen, um über den für ihn und seine beschäftigten Arbeitnehmer sinnvollsten Durchführungsweg, -umfang und Auswahl an Versorgungsträgern aufgeklärt zu werden. Nachdem der Arbeitgeber dann eine entsprechende Auswahl getroffen hat, müssen die berechtigten und interessierten Arbeitnehmer im Anschluss über die zur Verfügung gestellten Alternativen unterrichtet werden.

Oftmals unterschätzen Arbeitgeber, mangels fehlender Aufklärung, dass sich der zuvor genannte Beratungsvorgang zur Arbeitgeberberatung zumeist im Bereich der erlaubnispflichtigen Rechtsberatung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) befindet, die grds. nur durch zugelassene Rechtsberater oder Versicherungsmakler (nicht -vertreter!) erbracht werden dürfen. Dieser rechtsberatende Hintergrund resultiert für den Arbeitgeber aus seiner arbeitsrechtlichen Verpflichtung als Versorgungsschuldner, die durch eine erteilte betriebliche Versorgungszusage ausgelöst wird, welche durch eine schriftliche Ergänzung des Arbeitsvertrags (zur Entgeltumwandlung) manifestiert wird. Somit sind dezidierte Rechtskenntnisse erforderlich, um sämtlichen Wirkungsweisen betrieblicher Versorgungszusagen haftungssicher begegnen zu können. Daher ist es zwangsläufig, dass der beauftragte Berater bzw. Versicherungsmakler über eine ausreichende Haftpflichtversicherung verfügen muss, um ein haftungsauslagerndes Vorgehen gewährleisten zu können. Bei Missachtung dieser Prämissen sind die Folgen drastisch: Entsteht dem Arbeitgeber ein Vermögensnachteil durch eine unerlaubte und fehlerhafte Rechtsberatung, hat er zwar auf dem zivilrechtlichen Gerichtsweg einen unbeschränkten Schadensersatzanspruch. Doch ist er – mangels fehlender Deckung der unerlaubten Beratungstätigkeit durch eine wirksame Vermögensschadenhaftpflichtversicherung – darauf angewiesen, sich im Privat- bzw. Firmenvermögen des Beraters bzw. des Beratungshauses befriedigen zu können. Es ist also unbedingt zu beachten, dass Rechtsberatung nur durch öffentlich bestellte und zugelassene Rechtsberater bzw. Rechtsdienstleister oder Versicherungsmakler (als Nebenleistung im Rahmen des § 5 Abs. 1 RDG) erbracht werden darf. Nur diese können völlig weisungsungebunden arbeiten und sind nur ihrem Auftraggeber (dem Arbeitgeber) verpflichtet. Unternehmen bzw. Personen ohne die genannten Rechtsberatungsbefugnisse dürfen hieraus folgend keine Rechtsberatung anbieten und ableisten, da sie z. B. wegen der Interessenkollision mit ihrer eigentlichen Unternehmenstätigkeit keine Rechtsberatungserlaubnis besitzen dürfen. Aus gleichem Grund gilt dies auch u. a. für Tochtergesellschaften von Finanzdienstleistungsunternehmen. Es ist also völlig unerheblich, wie viel Juristen oder Rechtsberater eine Unternehmung beschäftigt, es kommt ausschließlich darauf an, ob die Unternehmung selbst eine Erlaubnis zur Rechtsberatung besitzt. Eine große Anzahl festangestellter Juristen generiert keine Rechtsberatungserlaubnis für das betreffende Unternehmen.

Arbeitnehmerberatung: Erfüllungsgehilfentätigkeit
Auch bei der Übermittlung der relevanten Mitarbeiterinformationen hinsichtlich der unternehmensbezogenen Durchführung von betrieblicher Altersversorgung sollte sich jeder Arbeitgeber die sich ggf. hieraus erwachsenden Haftungsprobleme vergegenwärtigen, um bereits im Vorfeld die möglichen Gefahren so weit wie möglich auszuschließen. Denn auch in diesem Prozess wird sich der Arbeitgeber in der Regel externer Berater bedienen, die die jeweiligen Arbeitnehmer über die Hintergründe der betrieblichen Versorgungsmaßnahmen aufklären sollen. Auch wenn in diesen Arbeitnehmerberatungen im Regelfall nur untergeordnet Rechtsberatung stattfindet, da zumeist auf die produkttechnische Ausgestaltung der einzelnen, den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellten Durchführungswege eingegangen werden muss, hat sich der Arbeitgeber zu vergewissern, dass der bzw. die beauftragten Berater vollständige und vor allem richtige Informationen an die Arbeitnehmer liefern. Bei diesbezüglich fehlerhaften Arbeitnehmerberatungen würde der Arbeitgeber nämlich im ersten Schritt wie für eigenes Verschulden haften. Dies resultiert aus der rechtlichen Konstellation des zuvor genannten Beratungsvorganges, in dem die beauftragen externen Berater die Stellung eines Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 278 BGB einnehmen. Daher gilt in diesem Sachverhalt folgender Wirkungszusammenhang:
Grundsätzlich hat der Schuldner einer Leistung – hier: der Arbeitgeber als Versorgungsschuldner – gemäß § 276 BGB nur eigene Pflichtverletzungen zu vertreten. Bliebe es dabei, könnte er sich durch Einschalten anderer Personen – hier: externe Berater, die die genannte Mitarbeiterberatung übernehmen – jeder Schadensersatzpflicht entziehen, sofern nicht bereits darin eine Pflichtwidrigkeit liegt (Organisationsverschulden). Jedoch bestimmt § 278 BGB, dass ein Schuldner, der sich arbeitsteiliger Verfahren mit Hilfe sog. „Erfüllungsgehilfen“ bedient, auch deren Risiken tragen muss. Ein solcher „Erfüllungsgehilfe“ ist, wer mit Wissen und Wollen des Schuldners bei der Erfüllung einer Verbindlichkeit des Schuldners tätig wird, wobei hierfür Haupt- und Nebenleistungspflichten ebenso wie bloße Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB in Frage kommen. Somit muss das Verhalten des Erfüllungsgehilfen auf den Schuldner übertragen werden, als hätte dieser selbst gehandelt. Das erklärt auch, weshalb es nicht auf den Sorgfaltsmaßstab des Erfüllungsgehilfen ankommt, sondern auf den des Schuldners. Denn dieser hat ja im Vorfeld eine angemessene Auswahl treffen müssen, welchen Erfüllungsgehilfen er einsetzen wird und welche Fachkenntnisse dieser zu besitzen hat. Eine grds. Exkulpationsmöglichkeit – also die arbeitgeberseitige Möglichkeit einer Schuldbefreiung – gibt es für den Schuldner (Arbeitgeber) nicht.

Schlussfolgernd ist festzuhalten, dass der Arbeitgeber darauf zu achten hat, dass der von ihm eingesetzte Erfüllungsgehilfe sämtliche Beratungsempfehlungen und -ergebnisse umfangreich dokumentiert sowie entsprechend rechtlich geprüfte Unterstützungsmaterialien einsetzt.

ASS-KO und seine Partner koordinieren sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer, gemäß den zuvor dargelegten Grundsätzen, die notwendigen rechtskonformen Beratungsprozesse im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung. Hierzu werden alle rechtlich notwendigen Erfordernisse und Hintergründe analysiert und passend umgesetzt. Sämtliche erlaubnispflichtige Rechts- und Beratungsdienstleistungen werden in diesem Zusammenhang von befugten Dienstleistern bzw. Sozietäten übernommen.

  • Eine betriebliche Altersversorgung (bAV) – hier nachstehend in Form der Direktversicherung oder der Pensionskasse gemeint – besteht immer aus 2 Teilen:
    – einer arbeitsrechtlichen Versorgungszusage und einem versicherungsförmigen Versorgungsvertrag (Direktversicherung und/oder Pensionskassenvertrag)
    – wobei der Vertrag der Zusage folgt – nicht umgekehrt!
  • Die Änderung eines Versorgungsvertrags setzt immer auch eine korrespondierende Änderung der Versorgungszusage voraus. Ein Versorgungsvertrag alleine kann nicht verändert werden – zumindest nicht ohne Risiken für den Arbeitgeber.
  • Ein neuer Arbeitgeber kann entscheiden, wie er eine „mitgebrachte“ bAV behandelt:
    – Übernahme der alten Zusage + Fortführung des alten Vertrags als neuer Versicherungsnehmer, oder
    – Zusage einer neuen Versorgung + wertgleiche Übertragung des Deckungskapitals des alten Vertrages in einen neuen Vertrag (in Form einer einmaligen Zuzahlung)
  • Eine „Übernahme“ der Versorgungszusage eines Vorarbeitgebers stellt für neue Arbeitgeber in der Regel ein unkalkulierbares Risiko dar, weshalb diese Form der Fortführung einer bAV sehr selten ist.
  • Durch das Verfahren der Deckungskapitalübertragung (Portierung) behält der Arbeitnehmer seinen bisher aufgebauten Wert, den er – unter neuen Konditionen für die Zukunft – bei seinem neuen Arbeitgeber mit neuen Beiträgen weiter steigern kann.
  • Bei einer Portierung fallen für den neuen Vertrag keine neuen Einrichtungs- oder Abschlusskosten an! Und es werden auch keine neuen Gesundheitsprüfungen für z. B. Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen nötig!
  • Was müssen Sie für eine Deckungskapitalübertragung tun?
  • Senden Sie uns eine Kopie des Versorgungsvertrages – Police und evtl. letzte Wertmitteilung der Direktversicherung, Pensionskasse o. ä.
  • Senden Sie uns den Antrag auf Deckungskapitalübertragung (DKÜ) von Ihnen und dem Mitarbeiter und dem Vorarbeitgeber unterschrieben zurück zur Vorlage bei altem und neuem Versicherer
  • WICHTIG: nur wenn Sie uns den unterschriebenen Antrag auf DKÜ zuleiten, können wir dafür sorgen, dass Ihrem neuen Mitarbeiter keine erneuten Abschlusskosten belastet werden! Dieser Antrag kann u. U. für ihn mehrere Tausend Euro wert sein!!

 

bAV besteht immer aus 2 Teilen:

  • Zusage
  • Vertrag Vorab: Umgangssprachlich wird unter einer „bAV“ meistens der konkrete Direktversicherungs- oder Pensionskassenvertrag verstanden. Tatsächlich gliedert sich eine betriebliche Versorgung aber in zwei Teile:
    – die arbeitsrechtliche Versorgungszusage des Arbeitgebers, sowie
    – ein Versorgungsvertrag bei einer Lebensversicherung (Direktversicherung) oder Pensionskasse, der diese erteilte Versorgungszusage (a.) ausfinanzieren soll.

 

Vertrag hängt an der Zusage, nicht umgekehrt!

Wichtig zu wissen ist: der konkrete Versorgungsvertrag hängt an der Versorgungszusage des Arbeitgebers – nicht umgekehrt! Deshalb kann man z. B. einen Direktversicherungsvertrag „alleine“, d. h. ohne die ihm zu Grund liegende arbeitsrechtliche Versorgungszusage nicht einfach einseitig verändern oder zu einem neuen Arbeitgeber „mitnehmen“. Die Versorgungszusage ist immer „mit im Paket“ und muss entsprechend behandelt werden.

 

Neuer Arbeitgeber kann „mitgebrachte“ bAV übernehmen oder wertgleich in neue bAV übertragen

Die Mitnahme von Versorgungsanwartschaften aus einer betrieblichen Altersversorgung im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hin zu einem neuen Arbeitgeber (die so genannte Portierung) ist seit 2005 neu im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) geregelt**. Nach Beendigung des alten Arbeitsverhältnisses kann im Einvernehmen des ehemaligen mit dem neuen Arbeitgeber sowie dem Arbeitnehmer
1. die Versorgungszusage des alten Arbeitgebers vom neuen Arbeitgeber übernommen, d.h. fortgeführt werden oder
2. der Wert der vom Arbeitnehmer erworbenen unverfallbaren Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung (Übertragungswert) auf den neuen Arbeitgeber übertragen werden, wenn dieser eine neue, wertgleiche Zusage erteilt; für die neue Anwartschaft gelten die Regelungen über Entgeltumwandlung entsprechend.
Voraussetzung in beiden Fällen ist, dass die erworbenen Ansprüche nach § 1b BetrAVG gesetzlich unverfallbar sind (was z. B. bei allen durch Entgeltumwandlungen finanzierten bAVs der Fall ist). Sind beim Ausscheiden die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen nach § 1b Abs. 1 BetrAVG (noch) nicht erfüllt, z. B. bei rein Arbeitgeber-finanzierten bAVs, erlöschen die „alten“ Anwartschaften einfach.

 

„Übernahme“

Die Übernahme einer Versorgungsverpflichtung durch einen neuen Arbeitgeber ist in § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG geregelt. Der neue Arbeitgeber tritt dabei vollumfänglich in das bestehende, vom Vorarbeitgeber begründete Versorgungsverhältnis ein und führt dieses unverändert weiter. Der neue Arbeitgeber haftet damit auch für alle Fehler und Versäumnisse, die ein ehemaliger Arbeitgeber bei der Gestaltung und Durchführung der Versorgung eventuell gemacht haben könnte (Beispiele siehe nachfolgender Text). Das Risiko für den neuen Arbeitgeber ist also verhältnismäßig hoch, so dass in der Praxis dieser nur selten bereit ist, Versorgungsverpflichtungen zu übernehmen, die er inhaltlich nicht kennt oder selbst gestaltet hat. Arbeitnehmer haben im Übrigen kein Anrecht darauf, auf eine derartige Übernahme zu bestehen.

Stimmt ein neuer Arbeitgeber – ggf. nach aufwändiger arbeitsrechtlicher Prüfung der Versorgungszusage des Vorarbeitgebers, was durchaus einige Wochen oder gar Monate dauern kann – einer Übernahme zu, so tritt er unter anderem als neuer Versicherungsnehmer in den bestehenden Direktversicherungsvertrag ein und führt diesen fort. Der Mitarbeiter (Arbeitnehmer) bleibt unverändert Versicherte Person, dem sämtliche wirtschaftlichen Rechte aus dem bAV-Vertrag zustehen. Der formelle Prozess eines solchen „VN-Wechsels“ kann sich über mehrere Wochen hinziehen.

 

„Übertragung“

§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG regelt die Alternative zur Mitnahme einer bAV: Der neue Arbeitgeber übernimmt nicht die gesamte arbeitsrechtliche Zusage, sondern er übernimmt lediglich das angesammelte Versorgungskapital vom bisherigen Arbeitgeber (das vielfach in einer Direktversicherung angespart wurde) und erteilt hierfür eine neue Zusage im Rahmen seines eigenen Versorgungssystems. Die übernommene Anwartschaft des Vorarbeitgebers wird somit wertgleich in das bestehende Versorgungssystem des neuen Arbeitgebers integriert bzw. überführt. Mit der vollständigen Übertragung des Übertragungswerts erlischt die Zusage des alten Arbeitgebers und dieser wird von allen Pflichten frei. Für die neue Anwartschaft beim neuen Arbeitgeber gelten dieselben Regeln einer Entgeltumwandlung: sofortige Unverfallbarkeit und damit sofortiger Insolvenzschutz durch den Pensions-Sicherungsverein a.G.

In der Praxis wird der neue Versorgungsvertrag für die Zukunft andere Konditionen (Zinshöhen, Risikobeiträge, Garantiezeiten o.ä.) haben als der „alte“ Vertrag. Diese neuen Konditionen können höher oder niedriger bzw. vermeintlich besser oder schlechter sein. Bitte befreien Sie sich von der Illusion, ein einziger Vertrag würde für ein gesamtes Berufsleben gelten (müssen). So wie sich z. B. Gehaltskonditionen beim Arbeitgeberwechsel ändern, ändern sich die Konditionen für die zukünftige Behandlung von Versorgungsbeiträgen.

 

Deckungskapital-übertragungs-abkommen

Die Mitgliedsunternehmen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) haben in einem Abkommen geregelt, dass einem Arbeitnehmer, dessen neuer Arbeitgeber seine Direktversicherungen, Pensionskassen- oder Pensionsfondsverträge bei einem anderen Versicherer führt als sein bisheriger Arbeitgeber, kein finanzieller Verlust aus der Kündigung und dem Neuabschluss des Versorgungsvertrags entstehen darf (eine Portierung besteht technisch aus der Kündigung eines Altvertrags plus dem Abschluss eines Neuvertrags).

In den im Abkommen festgelegten Fällen verzichtet daher das bisherige Versicherungsunternehmen bei Kündigung auf den üblichen Stornoabzug und das neue Versicherungsunternehmen erhebt keine Abschlusskosten. Eine Gesundheitsprüfung für z. B. Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen entfällt ebenfalls. Die Finanzverwaltung hat dem Abkommen zugestimmt und betrachtet die Deckungskapitalübertragung nicht als steuerschädlichen Neuabschluss.

 

Als Voraussetzungen dafür gelten:
• es handelt sich um Direktversicherungen, Pensionskassen- oder Pensionsfondsverträge (versicherungsförmig)
o bei Pensionskassen: nur überbetriebliche mit Versicherer ähnlichen Rechnungsgrundlagen
• bei dem/den betroffenen Versicherern handelt es sich um Mitglieder im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)
• der Antrag auf Deckungskapitalübertragung muss spätestens 15 Monate nach Ausscheiden des Mitarbeiters erfolgen

 

Beispiele für Risiken einer „Übernahme“

Haftung für die Inhalte der Zusage – der neue Arbeitgeber haftet ab Übernahme der Zusage für alle darin enthaltenen negativen Klauseln für den Arbeitnehmer, z. B. bei fehlendem Hinweis auf Nachteile einer Entgeltumwandlung hinsichtlich der Höhe gesetzlicher Rentenansprüche, fehlende Vererbbarkeit von Leistungen o.ä.. Ohne Kenntnis der schriftlichen (!) Versorgungszusage/-ordnung des Vorarbeitgebers, diese ergänzende Vereinbarung zur Entgeltumwandlung sowie der jeweiligen Beratungsprotokollen kann ein neuer Arbeitgeber die Inhalte nicht beurteilen!
Haftung für den Umfang der Zusage – der neue Arbeitgeber haftet ab Übernahme der Zusage für alle darin gemachten Versprechen zu Höhe und Dauer von Leistungen, z. B. Weiterzahlung von Beiträgen über gesetzlichen Lohnfortzahlungszeitraum hinaus, Zusage von Renten bei Invalidität / Berufsunfähigkeit, Zusage von Renten an Hinterbliebene etc.
Arbeitgeberzuschuss – der neue Arbeitgeber übernimmt auch die Zusage auf Arbeitgeberbeteiligung, selbst wenn der Mitarbeiter diesen nie aktiv eingefordert hatte.
Vertragsfehler und fehlende Garantiegeber – der neue Arbeitgeber haftet ab Übernahme auch für Vertragsfehler in der Rückdeckung und dann, wenn Garantiegeber keine echten Garantiegeber sind. Deckt der Versorgungsvertrag überhaupt die Versorgungszusage 1:1 ab? Wurde die Überschussverwendung während der Laufzeit korrekt gewählt (z. B. keine Beitragsreduzierung)? Wurde die Überschussverwendung für die Leistungsphase korrekt gewählt (Ausgleich der Rentenanpassungsverpflichtung nach § 16 BetrAVG)? War eine Vereinbarung zur Entgeltumwandlung stets den jeweiligen Höhen angepasst oder kann der Mitarbeiter evtl. Beitragsteile für bestimmte Perioden nachträglich einfordern?
Steuerliche Verwendung der Beiträge – sind beim alten Arbeitgeber die Beiträge steuerlich richtig umgesetzt worden? Im Zweifel haftet nun der neue Arbeitgeber dafür.
Das alles kann teuer werden!

 

Was tun?

Arbeitnehmer haben gemäß BetrAVG einen sofortigen Anspruch auf Umwandlung eigenen Bruttoentgelts in Versorgungslohn (Entgeltumwandlung). Seit 01.01.2019 muss der Arbeitgeber bei allen neu abgeschlossenen Entgeltumwandlungen aus seiner Sozialversicherungsersparnis einen mindestens 15%igen gesetzlichen Zuschuss leisten – auch schon in der Probezeit.

Achtung Konflikt: Eine Vereinbarung über Umwandlung von Bruttoentgelt in Versorgungslohn bedarf in der Praxis eines Versorgungsvertrages, in den diese Beträge als Beiträge fließen sollen – und können. Einige Arbeitnehmer möchten ihren Altvertrag aufgrund vermeintlich günstiger Konditionen gerne erhalten, d. h. „übernehmen“ lassen. Als Arbeitgeber sind Sie aber weder zur Prüfung noch zur Übernahme einer „mitgebrachten“ bAV verpflichtet. Ihnen ist erst recht nicht zumutbar, einen „mitgebrachten“ bAV-Vertrag ungeprüft zu übernehmen. Aus diesem Grund werden Sie gewiss grundsätzlich stets zur Variante der Deckungskapitalübertragung / Portierung neigen und einen neuen „wertgleichen“ bAV-Vertrag für den Arbeitnehmer einrichten, in den das „alte Guthaben“ sowie alle neuen Versorgungsbeiträge fließen sollen.

Sollten Sie als Arbeitgeber im Einzelfall der Prüfung einer eventuellen Vertragsübernahme zustimmen, dauert die Beschaffung und Auswertung von Informationen und Dokumenten zur Prüfung einer Versorgungszusage eines Vorarbeitgebers erfahrungsgemäß zwischen 4 Wochen und 4 Monaten; je nach Auskunftsfreudigkeit von Vorarbeitgeber (Vorlage der konkreten Versorgungszusage, inklusive Versorgungsordnung o. ä. sowie Entgeltumwandlungsvereinbarung des Mitarbeiters) und bisherigem Versorgungsträger (versicherungsvertragliche Daten) variieren die Antwortzeiten sehr stark. Oftmals liegt das Prüfungsergebnis erst kurz vor Ende einer (6-monatigen) Probezeit vor. Und in den allermeisten Fällen lautet das Prüfungsergebnis: die Datenlage ist unvollständig, d. h. die Risiken für Sie als neuen Arbeitgeber sind nicht final abschätzbar => Ablehnung einer „Übernahme“ und Angebot einer „Übertragung“.

 

Lösungsansatz 1

Neue Mitarbeiter, die es für vorteilhaft halten, ihre Ansprüche auf Entgeltumwandlung ab dem ersten Arbeitstag im neuen Unternehmen zu nutzen, beantragt schnellstmöglich die Übertragung des Deckungskapitals ihres bAV-Altvertrages in eine wertgleiche Versorgungszusage im Rahmen des Versorgungswerks Ihres Unternehmens.

Lösungsansatz 2

Wem die (grundsätzlich geringe) Chance einer Übernahme und Fortführung eines bAV-Altvertrages wichtig ist, dem steht es offen, zunächst den bAV-Altvertrag privat fortzuführen und ggf. für die Dauer der Prüfung auf eine Entgeltumwandlung nach BetrAVG zu verzichten. Nach Ablauf der Prüfzeit könnte – Ihre grundsätzliche Zustimmung als neuer Arbeitgeber zu diesem Verfahren sowie ein positives arbeitsrechtliches Prüfungsergebnis vorausgesetzt (was allerdings nur in wenigen Fällen zu erwarten ist!) – ein sogenannter VN-Wechsel, zusammen mit den dann für die Zukunft (nicht rückwirkend, z B. ab Eintritt) einsetzenden gesetzlichen Arbeitgeberzuschüssen zur bAV, eingeleitet werden.

 

Was müssen Sie tun?

Je nachdem, zu welchem Lösungsansatz Sie tendieren, benötigen wir zur fachlichen Begleitung einer Übernahme oder Übertragung eines mitgebrachten bAV-Altvertrages diverse Unterlagen von Ihnen bzw. Ihrem Mitarbeiter:

Deckungskapitalübertragung
• Kopie des Versorgungsvertrages – Police und evtl. letzte Wertmitteilung der Direktversicherung, Pensionskasse o. ä.
• Antrag auf Deckungskapitalübertragung (DKÜ) vom Mitarbeiter, altem Arbeitgeber und Ihnen unterschrieben zurück zur Vorlage bei altem und neuem Versicherer

Versicherungsnehmerwechsel
• Kopie des Versorgungsvertrages – Police und evtl. letzte Wertmitteilung der Direktversicherung, Pensionskasse o.ä.
• Kopie der Versorgungszusage des Vorarbeitgebers – einschließlich Kopie der Betriebs-/Versorgungsordnung und Kopie der Entgeltumwandlungsvereinbarung – sofern vorhanden
• Auskunftsermächtigung zur Einholung von Informationen seitens des/der Versorgungsträger (separates Formular)

Übermitteln Sie uns diese Unterlagen am besten per E-Mail an bavservice@ass-ko.de

Teilen Sie uns bitte mit, ob Sie eine haftungsbefreiende Deckungskapitalübertragung oder die Prüfung einer Schuldübernahme der gesamten Versorgungszusage Ihres Mitarbeiters wünschen.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sowohl die Begleitung einer Deckungskapitalübertragung als auch die Prüfung einer Schuldübernahme einer Versorgungszusage durch ASS-KO nicht kostenfrei erfolgen kann; die jeweiligen Vergütungssätze entnehmen Sie bitte dem aktuellen Preisverzeichnis.

Sollten Sie eine Deckungskapitalübertragung wünschen, erhalten Sie von uns umgehend alle vorbereiteten Unterlagen und Formulare, die von Ihnen, dem Mitarbeiter und dessen Vorarbeitgeber zu unterzeichnen sind.

Sollten Sie die Prüfung einer Übernahme der gesamten Versorgungszusage des Vorarbeitgebers wünschen, schreiben wir den/die Versorgungsträger an und fordern schriftliche Informationen zu dem/den bestehenden Versorgungsvertrag/-verträgen an. Diese Auskünfte können bis zu 4 Monate dauern, je nach Arbeitsauslastung bei den Versorgungsträgern. Sowie uns alle benötigten Informationen vorliegen, prüfen wir den/die Altvertrag/-verträge auf evtl. arbeitsrechtliche Risiken für Sie als neuen Arbeitgeber und stellen Ihnen eine entsprechende Beurteilung zur Verfügung. Sie können dann Ihre Entscheidung fundiert treffen und Ihren Mitarbeiter davon in Kenntnis setzen.

Arbeitnehmer können aus unterschiedlichen Gründen den Wunsch haben, eine Zusage aus einer Direktversicherung oder einer Pensionskasse abzufinden. Versicherungsvertraglich wird dies umgesetzt, indem die Versicherung bzw. der Pensionskassenvertrag gekündigt wird. Aus arbeits-, steuerlicher-, sozialversicherungs- und versicherungsvertraglicher Sicht sind bei der Abfindung wichtige Punkte zu beachten. So änderten bspw. Mitte 2016 die Sozialversicherungsträger die beitragsrechtliche Behandlung von Abfindungen für unverfallbare Versorgungsanwartschaften. Dieses Merkblatt verdeutlicht am Beispiel der Direktversicherung, in welchen Fällen eine Abfindung unter Berücksichtigung von § 3 BetrAVG überhaupt rechtlich möglich und wie eine zulässige Abfindung steuerlich und sozialversicherungsrechtlich zu behandeln ist.

Wichtig!
Insgesamt gilt, dass eine Abfindung in der Regel für den Versorgungsberechtigten eher nachteilig ist und daher immer erst als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden sollte. So ist beispielsweise eine (zeitweise) Beitragsfreistellung (insbesondere bei finanziellen Engpässen) oftmals die bessere Lösung.

Abfindung von Versorgungsanwartschaften
In den folgenden Fällen ist die Abfindung einer Versorgungsanwartschaft rechtlich zulässig:

Nicht gesetzlich unverfallbare Anwartschaften
Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vertraglich eine Unverfallbarkeit zugesichert, ohne dass die gesetzliche Unverfallbarkeit erreicht ist, kann die Versorgungsanwartschaft einvernehmlich abgefunden werden.

Abfindung im laufenden Arbeitsverhältnis
Die Abfindung einer unverfallbaren Anwartschaft ist gemäß § 3 Abs. 1 BetrAVG nur im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verboten. Während der aktiven Beschäftigung kann hingegen auch eine bereits gesetzlich unverfallbare Anwartschaft (einvernehmlich) abgefunden werden. Die im Gesetzestext verwendete Formulierung „im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ ist allerdings weit auszulegen. Das Abfindungsverbot gilt bereits dann, wenn die Abfindung im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Ein solcher Zusammenhang ist z. B. anzunehmen, wenn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bereits ausgesprochen ist oder die Abfindung im Rahmen eines Aufhebungsvertrages über die zukünftige Beendigung des Arbeitsvertrages vereinbart wird oder auch für den Rentenübergang (siehe unten).

Wichtig!
Sofern aus einem vorangegangenen Arbeitsverhältnis noch gesetzlich unverfallbare Anwartschaften bestehen, so unterfallen diese den gesetzlichen Verfügungsverboten nach § 2 BetrAVG und fallen damit unter das Abfindungsverbot nach § 3 BetrAVG. Diese Teile des Vertrages sind nicht abfindbar.

Abfindung von Klein-Anwartschaften bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
§ 3 Abs. 2 BetrAVG sieht für den Arbeitgeber ein einseitiges Abfindungsrecht vor, sofern die in der Vorschrift definierte Bagatellgrenze nicht überschritten ist. Diese Bagatellgrenze liegt bei Rentenzusagen im Jahr 2019 bei monatlich 31,15 Euro (alte Bundesländer) bzw. 28,70 Euro (neue Bundesländer). Bei Kapitalzusagen liegt sie im Jahr 2019 bei 3.738 Euro (alte Bundesländer) bzw. 3.444 Euro (neue Bundesländer). Maßgeblich für die Frage, ob die Bagatellgrenze überschritten ist, ist die Höhe der Leistung, die dem Arbeitnehmer bei Erreichen der festen Altersgrenze zusteht. Beim Durchführungsweg Direktversicherung ist bei Anwendung der versicherungsförmigen Lösung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG daher auf den Wert der beitragsfreien Versicherung abzustellen.

Wichtig!
Verstöße gegen § 3 BetrAVG führen dazu, dass die Abfindung nichtig ist. Der Arbeitnehmer und ggf. seine versorgungsberechtigten Hinterbliebenen können daher vom Arbeitgeber im Versorgungsfall nochmalige Leistungen verlangen!

Abfindung bei Rentenübergang bzw. im Rentenbezug
Erfolgt die Abfindung der Versorgung in zeitlichem Zusammenhang mit dem Rentenübergang und damit mit dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis, greift bereits das Abfindungsverbot des § 3 BetrAVG.

Auch eine laufende Rentenverpflichtung kann grundsätzlich nur innerhalb der Wertgrenzen des § 3 BetrAVG abgefunden werden (etwas anderes gilt nur für laufende Renten, die erstmals vor dem 01.01.2005 gezahlt wurden [§ 30b Abs. 2 BetrAVG]).

Wichtig!
Sehen die Versicherungsbedingungen eine Kapitaloption vor Rentenbeginn vor, so kann diese unabhängig vom § 3 BetrAVG ausgeübt werden, da eine Kapitaloption nicht als Abfindung gilt (BGH, Urteil vom 28.09.2009, AZ: II ZR 12/09).

Abfindung bei Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung
Gemäß § 3 Abs. 3 BetrAVG hat der Arbeitnehmer ein einseitiges Abfindungsrecht, wenn er mit einer gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft ausgeschieden ist und ihm die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erstattet worden sind. Dies kann der Fall sein bei Arbeitnehmern mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die in ihrer Heimat zurückkehren. Allerdings ist der Anwendungsbereich von § 3 Abs. 3 BetrAVG recht klein, da eine Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen ausgeschlossen ist, wenn das Recht zur freiwilligen Versicherung besteht. Dies ist bei Arbeitnehmern der Fall, die in EU-Mitgliedsstaaten oder in Länder zurückkehren, mit denen Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen hat.

Abfindung bei Insolvenz des Arbeitgebers
Wird nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens das Arbeitsverhältnis fortgesetzt, hat der Arbeitgeber gemäß § 3 Abs. 4 BetrAVG hinsichtlich des Teils der Versorgungsanwartschaft, der während des Insolvenzverfahrens erdient wurden, ein einseitiges Abfindungsrecht, wenn die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt und das Unternehmen liquidiert wurde.

Abfindung im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs
Zwar ist das grundsätzliche Abfindungsverbot gemäß § 3 Abs. 1 BetrAVG auch im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs anwendbar. Es gilt jedoch nicht bei Tatsachenvergleichen, also wenn der gerichtliche Vergleich wegen eines Streits über die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder die Höhe der Versorgungsanwartschaft geschlossen wird. Zulässig kann zum Beispiel auch ein in einem Kündigungsschutzverfahren geschlossener Tatsachenvergleich sein, nach welchem Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung vollständig ausgeschlossen werden und stattdessen die Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes erhöht wird.

Abfindung von laufenden Leistungen
Seit dem 01.01.2005 gilt das grundsätzliche Abfindungsverbot gemäß § 3 Abs. 1 BetrAVG auch für laufende Versorgungsleistungen. In folgenden Fällen ist die Abfindung von laufenden Versorgungsleistungen jedoch rechtlich möglich:

Vor 2005 erstmals gezahlte laufende Leistungen
Gemäß § 30g Abs. 2 BetrAVG findet § 3 auf laufende Leistungen, die vor dem 01.01.2005 erstmals gezahlt worden sind, keine Anwendung. Sie können daher einvernehmlich abgefunden werden. Nicht vom Abfindungsverbot erfasst sind auch Hinterbliebenenrenten, die zwar erst nach dem 31.12.2004 erstmals gezahlt wurden, jedoch auf einer bereits vor dem 01.01.2005 gezahlten Altersrente basieren.

Abfindung von Klein-Renten
Laufende Leistungen, die die in § 3 Abs. 2 BetrAVG bestimmte Bagatellgrenze nicht übersteigen, können ohne Zustimmung des Betriebsrentners vom Arbeitgeber abgefunden werden (zur Höhe der Bagatellgrenze siehe oben). Sofern sie bereits vor dem 01.01.2005 erstmals gezahlt wurden, ist die Abfindung jedoch nur einvernehmlich möglich. Das Gleiche gilt für Hinterbliebenenrenten, die auf einer bereits vor dem 01.01.2005 gezahlten Altersrente basieren.

Abfindung im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs
Die Abfindung von laufenden Leistungen ist bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs dann wirksam, wenn es sich bei dem gerichtlichen Vergleich um einen Tatsachenvergleich handelt (siehe oben).

Höhe der Abfindung
Die Abfindungshöhe bei Abfindungen von Klein-Anwartschaften und Klein-Renten, bei Abfindungen wegen Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie bei Abfindungen wegen Insolvenz des Arbeitgebers bestimmt sich nach dem zum Abfindungszeitpunkt gebildeten Kapital (§ 3 Abs. 5 BetrAVG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG). Beim Durchführungsweg Direktversicherung ist dies der Rückkaufswert gemäß § 169 Abs. 3 VVG. Die Abfindungshöhe bei Abfindungen nicht gesetzlich unverfallbarer Anwartschaften und bei Abfindungen im laufenden Arbeitsverhältnis kann dagegen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer frei ausgehandelt werden. Üblich ist jedoch auch hier, den Rückkaufswert der Direktversicherung zu Grunde zu legen.

Versicherungsvertragliche Umsetzung
Der Versicherungsvertrag und der Arbeitsvertrag sind selbständige, voneinander unabhängige Rechtsverhältnisse. Der Abschluss einer arbeitsrechtlichen (Abfindungs-)Vereinbarung hat grundsätzlich keinen Einfluss auf den Bestand des Versicherungsvertrags. Der Arbeitgeber kann in seiner Eigenschaft als Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag kündigen. Ist der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer unwiderruflich bezugsberechtigt, so ist für eine wirksame Kündigung der Versicherung seine Zustimmung erforderlich. Die Kündigung muss schriftlich an den Versicherer gegeben werden. Achtung: Manche Versicherer haben in Ihren Versicherungsbedingungen ein Kündigungsverbot eingeschlossen. Diese Versicherungen können dann aufgrund der Versicherungsbedingungen nicht gekündigt werden.

Versteuerung der Abfindung
Als Abfindung gewährte Rückkaufswerte aus einer Direktversicherungszusage sind als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 5 EStG vom Versorgungsberechtigten (Arbeitnehmer) zu versteuern. Hierbei ist zu unterscheiden, ob die Beiträge zur Finanzierung der Leistung steuerfrei gemäß § 3 Nr. 63 EStG waren oder gemäß § 40b EStG in der Fassung vom 31.12.2004 pauschal versteuert wurden.

Beiträge waren steuerfrei nach § 3 Nr. 63 EStG
Der Auszahlungsbetrag stellt in vollem Umfang sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 5 EStG dar. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Auszahlung von dem Versorgungsträger direkt an den Arbeitnehmer gezahlt wird oder ob eine Auszahlung an den Arbeitgeber erfolgt, der den Betrag dann entsprechend weiterleitet.

Beiträge wurden nach § 40b EStG pauschalversteuert
Die Lohnsteuerpauschalierung nach § 40b EStG für die gezahlten Beiträge bleibt bestehen.
Wurde der Vertrag vor dem 01.01.2005 abgeschlossen, gilt für die Leistungsbesteuerung folgendes: Die Auszahlung des Rückkaufswerts an den Arbeitnehmer ist bei diesem steuerfrei, wenn eine mindestens 12-jährige Vertragsdauer und mindestens 5-jährige Beitragszahlungsdauer vereinbart war und der Vertrag nach Ablauf von 12 Jahren gekündigt wurde (§ 52 XXVIII Satz 5 EStG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der Fassung vom 31.12.2004). Die Auszahlung des Rückkaufswerts an den Arbeitnehmer vor Ablauf von 12 Jahren führt zur Steuerpflicht der rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen gem. § 22 Nr. 5 Satz 2 i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG (a. F.).

Sofern die Abfindung zu versteuern ist, hat der Arbeitnehmer die notwendigen Angaben in seiner Steuererklärung vorzunehmen. Die Versicherungsgesellschaft hat dem Arbeitnehmer gemäß § 22 Nr. 5 Satz 7 EStG eine Bescheinigung über die zu versteuernden Beträge auszuhändigen. Die Auszahlung des Beitrages wird von der Versicherung an das Finanzamt gemeldet, so dass dies nicht vergessen werden kann. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die auf den Rückkaufswert zu zahlenden Steuern einzubehalten und abzuführen.

Beitragspflicht in der Sozialversicherung
In seinem Urteil vom 24.03.2015 (Az. 11 R 1130/14) entschied das LSG Baden-Württemberg, dass die Abfindung einer betrieblichen Altersversorgung kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV ist und daher weder in der gesetzlichen Rentenversicherung noch in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung Beiträge zu leisten sind. Die Abfindung für die Anwartschaft einer betrieblichen Altersversorgung stelle jedoch einen Versorgungsbezug im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 3 Variante 2 SGB V dar und sei daher für den Arbeitnehmer unabhängig von dessen Alter beitragspflichtig in der gesetzlichen Kranken – und Pflegeversicherung („KVdR“) und für die Dauer von 120 Monaten mit dem fiktiven monatlichen Zahlbetrag zu verbeitragen (Ausnahme: Privatversicherte). Der Arbeitnehmer hat dabei den vollen Beitragssatz allein zu tragen. Sofern die Freibeträge gemäß § 226 Abs. 2 SGB V nicht überschritten werden, fallen z. B. für 2019 bei Kapitalabfindungen unter 18.690 € keine KVdR-Beiträge an!

In Betracht kommt in manchen Fällen die Abfindung einer betrieblichen Altersversorgung für privat krankenversicherte Arbeitnehmer. Auch für sie ist der Abfindungsbetrag vollständig sozialversicherungsfrei.

Empfehlung
Zwecks Vermeidung der Verwaltung von Klein-Anwartschaften und Klein-Renten ist Arbeitgebern zu empfehlen, bei Ausscheiden versorgungsberechtigter Arbeitnehmer zu prüfen, ob die Bagatellgrenze gemäß § 3 Abs. 2 BetrAVG überschritten ist. Im Falle der Nichtüberschreitung sollte der Arbeitgeber von dem ihm zustehenden einseitigen Abfindungsrecht Gebrauch machen. Arbeitnehmer mit einer Direktversicherungszusage, die Mitglied in einer gesetzlichen Krankenversicherung sind, sollten bei einem Abfindungsangebot des Arbeitgebers neben der Steuerpflicht und der grundsätzlichen Verluste bei Kündigungen von Lebensversicherungen auch berücksichtigen, dass sie die alleinige Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung trifft.